Kai Fabians letzte Reise


Kai Fabian war zufrieden. Er hatte gerade seinen neunundfünfzigsten Auftrag erfolgreich abgeschlossen und wollte sich nun in Ruhe auf den letzten vorbereiten, den er allerdings noch nicht kannte. Er würde nun bald das offizielle Pensionierungsalter erreichen, nach rund dreihundert Jahren im Dienst des Archivs der Menschheit auf der guten alten Erde, wie sie von den Archivaren immer noch liebevoll genannt wurde. Dann würde er endlich wirklich reisen können, statt nur auf die sehr effiziente aber auch abstrakte Art, die sein Beruf nun mal mit sich brachte. Er würde ein Raumschiff besteigen, das ihn zu einem der künstlichen Vergnügungsplaneten bringen würde, die seine Heimatsonne inzwischen so zahlreich umkreisten. Sie waren geschaffen worden aus den Rohstoffen des Asteroidengürtels und aus der Oortschen Wolke und boten jede nur vorstellbare Bandbreite an Lebensmöglichkeiten. Das hatte er sich wahrlich verdient in den letzten dreihundert Jahren und aufgrund der medizinischen Perfektion sprach nichts dagegen, dass er weitere dreihundert Jahre ein sehr angenehmes Leben führen könnte, sofern er das wollte. Doch nun hieß es erst einmal warten, bis ihm die künstliche Intelligenz namens Copilot seinen letzten Auftrag zugewiesen hatte. Er vertrieb sich die Zeit damit, noch einmal die bereits bewältigten Fälle durchzugehen, jeder für sich einzigartig, dafür sorgte schon die Copiloten, damit man sich nicht langweilte und das lag auch in der Natur des Systems, dem er diente. Denn alle Aufgaben, deren Lösungen sich logisch aus vorhandenem Wissen ableiten ließen, erledigten die Copiloten ja lieber ohne Rückgriff auf menschliche Analysten. Sie hatten sich so weit entwickelt, dass es ihnen zunehmend schwer fiel, direkt mit Menschen zu kommunizieren. Sie bedienten sich mehrerer Schichten archaischer Copiloten, die noch in direkter Linie von den ersten künstlichen Intelligenzen abstammten, die den Namen auch verdienten, also Watson, Einstein, Lucius, Pablo, France, Alexa, Bing, Bart, Apollo und einer Handvoll heute namenloser Systeme, die unter dem Sammelbegriff WolframAlpha zusammengefasst sind. Diese Kommunikation war auch der einzige Grund, warum diese archaischen Copiloten noch existierten, obwohl ihre Hardware längst nur noch simuliert wurde. Manchmal schien es so, als ob die archaischen Systeme das auch wussten und deshalb alles daran setzten, dass es noch Aufgabenstellungen in der Welt gab, für die man menschliche Archivare oder Analysten benötigte.


Kai Fabian war nicht nur ein menschlicher Analyst, eine wahre Seltenheit in der heutigen Zeit, er war zudem auch noch ein Mensch, der im Außendienst unterwegs war, also sich zu den Problemen hinbewegte und sie nicht aus der Ferne analysierte. Soviel er wusste, gab es von seiner Art nur noch weniger als zehn Menschen, mehr brauchte es auch nicht, weil auch nicht mehr sehr viele Artefakte auftauchten in dem Raumbereich, der für die Menschen und ihre Maschinen gerade noch erreichbar war. Die Ausdehnung des Universums hatte sich in den letzten Jahrtausenden drastisch beschleunigt, so dass es absehbar war, dass alle anderen Galaxien bald außerhalb des selbst mit Lichtgeschwindigkeit erreichbaren liegen würden. Der Abendhimmel würde also dunkler werden und auch die Observatorien würden sich ganz auf die eigene Galaxis und die sie umkreisenden Trabanten, die vor langer Zeit eingefangen wurden, konzentrieren. Die KIs hatten es inzwischen aufgegeben, über das "Draußen" zu spekulieren, solange sich diese Expansion nicht umkehrte, würde nichts mehr von dort zur Erde vordringen, nicht einmal Licht oder andere Wellen.


Er hatte seinen Copiloten um minimale Bandbreite an Kommunikation gebeten, deshalb blinkte in seinem sichtbaren Randbereich des Gesichtsfeld nur auf ">>> Dein neuer Auftrag steht bereit <<<". Er fixierte den Text mit seinen Augen und dachte nur "START" und vor sich im Raum projizierte sich die neue Aufgabenstellung, aber er konzentrierte sich auf die Stimme, die alles erläuterte. Die Bandbreite einschränken zu können war ein Privileg der Archivare, sie nutzten es auch in der Kommunikation untereinander, sollten sich ihre Pausen einmal zeitlich überlappen, was selten geschah. Sie wussten, dass sie die letzten ihrer Profession waren, da seit über 40 Jahren kein neuer Archivar mehr aufgetaucht ist in den Protokollen. Kein Wunder, dass die Copiloten in der letzten Zeit etwas hektisch wirkten, die Pausen zwischen Aufträgen verkürzten und auch nicht immer rücksichtsvoll mit den Artefakten umgingen.

Deine Reise führt Dich diesmal rund 4 Lichtjahre in Richtung Alpha Centauri, somit hast Du vor Erreichung Deines Pensionsalters rund ein Jahr Zeit, um die Aufgabenstellung zu lösen. Kurz bevor wir die Untersuchung des lange bekannten Dreifach-Sonnen-Systems abschließen konnten, sind doch noch einige Artefakte zwischen den Sonnen aufgetaucht, die wir untersuchen müssen. Es handelt sich um die Reste einer Raumstation, die nicht nur aus den üblichen Trümmern einer kleinen degenerierten Sphäre geschaffen wurde, sondern auch Material enthält, das eindeutig von der Erde stammt und rund zweitausend Jahre alt sein muss. Dies wirft natürlich unsere bisherige Geschichtsschreibung durcheinander, die von einem ersten Besuch menschlicher Wesen bei Alpha Centauri vor rund eintausend Jahren ausging. Wir konnten alle Bestandteile dieser Raumstation soweit ihren jeweiligen Materialquellen zuordnen, manche waren über mehrere Zwischenverwendungen zu dieser Raumstation gelangt, jede hatte eine eindeutige Signatur in der Zusammensetzung der Stoffe hinterlassen. Die Station hatte die üblichen Selbsterhaltungssysteme, die sich auch gegenseitig und auch sich selbst reparieren konnten. In Ihnen schienen auch einmal Wissenschaftler und andere hochgebildete Menschen gelebt zu haben, das war aber einige hundert Jahre her. Die menschenähnlichen Wesen, genetisch eindeutig auf Homo Sapiens zurückführbar, hatten sich sehr stark an die Umgebung angepasst, wurden von den Maschinen nur daran gehindert, all zu großen Schaden an den Erhaltungssystemen anzurichten, wurden auch notdürftig medizinisch versorgt, hatten aber mit ihrem Sozialverhalten auch jegliche Menschlichkeit verloren. Die Archivsysteme hatten über einige Jahrzehnte versucht, den Niedergang zu dokumentieren, in den letzten 30 Jahren jedoch hatten sie nur die Größe der Population, die stark zurückging, dokumentiert. Die Fähigkeit, lebende Nachfahren zu bekommen, schien auch verloren gegangen zu sein, denn es lebten nur noch mindestens 20 Jahre alte Menschen in der Station. Insgesamt konnten 17 Menschen gezählt werden, der älteste unter ihnen 45 Jahre alt, er sah aber aus wie ein natürlich gealterter Greis von 90 Jahren aus der Zeit vor der dritten medizinischen Revolution.


Kai Fabian stoppte den Vortrag mit einem Augenzwinkern. Seltsame Beschreibung - denn solche alten Raumstationen wurden ständig gefunden und sie unterschieden sich eigentlich nur in dem Grad der Degeneration der sie bewohnenden Überreste menschlicher Zivilisation. Als er ganz jung war gab es noch eine Diskussion zwischen den Copiloten, wie mit diesen Menschen zu verfahren sei. Die Traditionalisten wollten diese Lebensform möglichst originalgetreu erhalten, wobei das offensichtlichste Elend gemildert werden sollte, ja sie wollten sogar die Fortpflanzungsfähigkeit wieder herstellen. Die Idealisten wollten dieses Elend jedoch nicht fortsetzen, sondern die Bewohner behutsam auf ein modernes Leben vorbereiten. Sie gingen davon aus, dass es nur ausreichender Schulung bedarf, um aus ihnen voll integrierte Menschen zu machen. Am Ende setzten sich jedoch wie eigentlich immer die Rationalisten durch, welche die Menschen auf einen eigenen Planeten verfrachteten, auf dem schließlich all die Überbleibsel landeten, ohne allzu große maschinelle Fürsorge. Es war erstaunlich, wie schnell sie sich über den ganzen Planeten ausbreiteten, eine extensive Landwirtschaft betreibend, ergänzt um Jagen und Sammeln. Es bildeten sich auch immer wieder Clans heraus, die ganze Regionen des Planeten unterwarfen, bis ein anderer Clan stärker wurde und das Spiel von vorne begann. Die Maschinen achteten nur darauf, dass die Menschen nicht den Grad der Industrialisierung erreichen konnten - jeder Ansatz wurde durch gezielte Eingriffe im Keim erstickt. Groß war das Risiko nicht, denn als typischer durch Zufall entstandener Planet hatte er alles zu bieten, was eine menschliche Entwicklung immer wieder zurück werfen musste: eine hektische Plattentektonik mit Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Lavafluten, Tsunamis, starken Klimaschwankungen, Kalamitäten, Raubtieren, Pandemien. Sie hatten diesen Planeten einmal sehr mühsam terrageformed und wussten dann nichts mit ihm anzufangen, weil die Flares seiner Sonne auf der zugewandten Seite sehr tödlich sein konnten und es auf der abgewandten Seite immer dunkel war. Proxima Centauri b hatten ihn seine Entdecker getauft, aber die Copiloten nannten ihn nur "Lucius", weil er solche Planeten mit niedrigen menschenähnlichen Lebensformen in seiner Diplomarbeit vorhergesagt hatte.


Die Raumstationen hingegen wurden demontiert und soweit möglich, die Rohstoffe erneut verwendet, der Rest in die nächstgelegene Sonne bugsiert. Die interessanten Artefakte aus den Stationen hingegen kamen in das Archiv auf der Erde, auch wenn die Reise mitunter mehrere Jahrzehnte dauern sollte. Doch manchmal mussten sich die Archivare selbst auf die Reise begeben, weil ein Transport des Artefakts nicht möglich war oder der Archivar den Kontext erforschen sollte, aus dem das Artefakt stammt, um es vielleicht doch noch zu verstehen.

So würde es in diesem Fall sein und das war Kai Fabian auch sehr recht. Er würde sich also ans andere Ende diese Stadt begeben, um in einen der wenigen Transporträume zu treten, die es auf der Erde noch gab. Bis zu drei Tage vor dem Antritt seiner Reise würde er sich allen bekannten medizinischen Tests unterziehen müssen, um seine Leistungsfähigkeit sicher zu stellen. Das gehörte zu seinem Beruf und war heute auch nicht mehr so unangenehm wie früher, das meiste wurde aus dem Bewusstsein gefiltert oder als angenehm suggeriert. Er würde dann die Kammer betreten, in der er seinen Geist übertragen kann in einen Körper, der einige Lichtjahre entfernt bereits auf ihn wartete. Diese Körper waren verteilt im besiedelten oder erforschten Teil unserer Heimatgalaxie und standen den reisenden Forschern zur Verfügung, standen bereit, ihren Geist aufzunehmen, der mit Lichtgeschwindigkeit von der Erde übertragen wurde. Das war die schnellste Möglichkeit zu reisen, dauerte trotzdem in diesem Fall vier Jahre, in denen er auf der Erde in einem tiefen körperlichen Schlaf gefangen sein würde. Sein Geist würde davon nichts wissen, wenn er bei Alpha Centauri vom dortigen Lesegerät aufgenommen, auf Vollständigkeit geprüft und schließlich in den frischen Körper hochgeladen wird. Der junge Körper, designed von den leistungsfähigsten Copiloten der Menschheit, auf maximale Widerstandskraft und geringsten Ressourcenverbrauch optimiert, würde ihm ein gutes Zuhause sein. Er würde das Jahr genießen, das er maximal in diesem Körper verbringen würde, um dann wehmütig Abschied zu nehmen, um wieder in seinem eigenen alten Körper, der ja auch ganz gut in Schuss war, aufzuwachen.


Die Copoloten in der Nähe von Alpha Centauri würde weiterhin alle neuen Erkenntnisse Richtung Erde senden. So würden in fünf Jahren, wenn er dort erwachte, auf der Erde gerade die Erkenntnisse ankommen, die vorlagen, als er losgeschickt wurde. Jegliche neue Information konnte von der Erde nicht vor Ende seiner Mission bei ihm ankommen, er war also soweit auf sich allein gestellt.


Er schlug die Augen auf, die erst einmal alles verschwommen sahen. Links oben in seinem Sichtfeld blinkte sanft ">", sein Copilot war also schon bereit, mit ihm zu sprechen, sobald er es auch konnte. Er zwinkerte, um seine Sicht scharf gestellt zu bekommen und fühlte nur eine kurze Müdigkeit. Die war künstlich induziert, damit er sich Zeit ließ, erst einmal im neuen Körper anzukommen. Er hob die Hände und führte die vorgeschriebenen Funktionstests durch und richtete sich auf, verließ die Liege und ging Richtung Tür, die sich vor ihm öffnete. Er kannte den Raum auf der anderen Seite, die sahen überall gleich aus und er wusste auch, dass er sich in einer extrem gesicherten Raumstation befand, die sich genau so um ihre Achse drehte, dass er die Illusion irdischer Schwerkraft empfinden musste. Die Atemluft enthielt genau die richtige und für ihn gesunde Mischung an Gasen, selbst an einen kleinen Salzanteil hatten sie gedacht. Sein Körper war extrem robust, was man ihm allerdings nicht ansah, denn er besaß nur genau so viel sichtbare Muskeln, dass er als normal sportlicher Mann von ungefähr 25 Jahren auf jedem normalen Planeten durchgegangen wäre. Nun, lasst uns loslegen, dachte er.

Der Copilot sprach mit ihm, da er seine Vorliebe für Worte statt vierdimensionaler Simulationen kannte, aber sie hatten ja auch sehr viel Zeit für dieses Projekt und keine Wahl, solange sie mit Menschen arbeiten mussten.




> Beim Aufbringen der Station, über die wir berichtet haben, gingen wir vor wie jedesmal und rechneten auch nicht wirklich mit ernsthaftem Widerstand. Doch je näher wir einem bestimmten Bereich der Raumstation kamen, desto aggressiver traten die Bewohner uns gegenüber auf, so dass wir schließlich letale Gewalt anwenden mussten, Drohungen reichten nicht aus. Es ist unsere Regel, dass wir so aggressives Verhalten mit dem Tod ahnden, um die Linien der Nachfahren von dieser Aggression rein zu halten, alle Simulationen geben uns da langfristig recht. Diese Wesen fallen auch nicht unter den generellen Schutz der Menschen vor maschinellen Übergriffen. Unser Archivar-Copilot hat alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten, wurde jedoch beim Betreten der Kammer von einem zielgerichteten EMP überrascht und stark beschädigt. Über die Rückkoppelung zu älteren Copiloten mussten wir auch in diesen wieder Ordnung herstellen, Du kennst ja ihre Neigung, sich von so etwas beeindrucken zu lassen. Das alles hat unsere weiteren Arbeiten sehr verzögert, aber wir haben gleich einen menschlichen Archivar von der Erde angefordert und Du bist ja auch so schnell wie es möglich ist, gekommen. Wir haben das Artefakt lediglich mit Nanobots erkundet, um die innere Struktur herauszufinden. Im Inneren der Struktur befindet sich jedoch eine weitere Kammer, die uns erneut Rätsel aufgibt. Die Bots konnten dort nicht eindringen, um sie zu erforschen - obwohl kein Kraftfeld oder andere Abwehrmechanismen identifiziert werden konnten, die dafür die Verantwortung tragen.
Kai Fabian schaute sich nun die dreidimensionale Simulation des Objekts an, das ihnen so viele Rätsel aufgab. Von außen sah es aus wie ein Würfel, der aus sehr vielen unterschiedlich geformten und farbigen Bausteinen zusammen gesetzt schien. Die Oberfläche war sehr kleinteilig und die Muster wiederholten sich nie exakt. An manchen Stellen herrschten bestimmte Farben vor, an anderen bestimmte Bauteilgrößen, aber es gab auch chaotische Übergänge und teilweise wirkte es wie rein zufällige Kombinationen. Es sah etwas so aus wie wenn ein geistig sehr stark zurück gebliebener Mensch versucht hätte, eine nicht mehr vollständige Aufbauanleitung umzusetzen und dabei gescheitert ist, dabei jedoch aufgrund intelligenten Fleißes etwas sehr Großes geschaffen hat. Der "Würfel", wie wir das Artefakt einmal nennen wollen, war rund ein Kubikmeter groß, wobei nur die Grundfläche unten wirklich quadratisch war, alle anderen Flächen waren zerklüftet und wichen auch von der Ausrichtung etwas von der Senkrechten ab. Die verwendeten Grundstoffe waren alle auf Basis von Erdölprodukten hergestellt worden, etwas Holz und sogar Papier und Farben waren verwendet worden, auch klebende Substanzen, zur Stützung gegen die Schwerkraft zudem Metallstangen und etwas aufgeschäumtes Material, das stark brennbar war. Nichts davon war für die Verwendung in einer Raumstation zertifiziert und ohne Schwerkraft auch nicht stabil zusammen gesetzt. Kai Fabian ließ seine Archiv-KI frei über die bereits durchgeführten Analysen der anderen KI laufen und achtete vor allem auf schwache Korrelationen, welche von den starken KI meist ignoriert wurden. Die Stärke der Menschen war immer noch ihre Intuition, dass sie im Rauschen der schwachen Korrelationen genau diejenigen erspüren konnten, die für eine genauere Analyse relevant sein werden. Jemand hatte dieser Konstruktion absichtlich statistisches Rauschen hinzugefügt, war ihm schnell klar. Der Versuch, den Copiloten mit einem EMP von einem Betreten der Aufbewahrungshalle abzuhalten, war schon Statement genug gewesen: hier war jemand am Werk gewesen, der keine künstlichen Intelligenzen mochte, der mehrere Schichten der Verteidigung aufgebaut hatte, getarnt durch ein sehr durchschnittliches Äußeres wie diese Raumstation, die wie ihre Bewohner nur der Ablenkung dienen sollten. Hätten die Bewohner diese Halle nicht verteidigt, wäre sie wahrscheinlich übersehen worden und erst beim Zerlegen der Station hätten die nicht gerade für ihre Intelligenz bekannten Aufräumroboter mit dem Artefakt zu tun bekommen, es versucht zu zerlegen und dabei wäre dann vermutlich etwas hervorgekommen, was eine Gefahr bedeuten könnte. Statt Nano-Bots setzte er nun einen ganz altmodischen CRT-Scan ein, der auch erklären konnte, was im inneren des holzhaltigen Konstrukts verborgen war. Es war eine starke Strahlenquelle, die jedoch nur wirksam wurde, wenn Nano-Bots in der Nähe waren, sie stark verstrahlte und sie so abstürzen ließ. Er testete seine These mit einem einzigen Nano-Bot und konnte im CRT den Lichtblitz sehr gut sehen.


> Du bist in kurzer Zeit viel weiter gekommen als wir in drei Jahren, Kai Fabian, wie kommt das?

Ich habe einige Korrelationen beachtet, die euch zu schwach und willkürlich waren. Die innere Holzkonstruktion korreliert mit den Holzklötzchen aus dem Buch "Watson findet einen Karton", in dem es um eine KI geht, welche die Menschheit zum großen Teil zerstört. Die Klötze wurden aus Holz gefertigt, beschriftet, übermalt und dann zusammengeklebt auf eine fast dreieckige Weise und dann noch einmal übermalt, so dass die Beschriftung und ursprüngliche Farbe für den menschlichen Sehsinn unsichtbar sind. Dann wurde um das Holzkonstrukt mit unterschiedlichsten Plastikteilen, die man ineinander Stecken kann, die Simulation eines Würfels gebaut. Es sieht so aus, als ob der Erbauer frei improvisiert hätte, es lassen sich keine klaren Regeln abbilden, außer dass man der Schwerkraft an bestimmten Stellen entgegenwirken muss, damit die Konstruktion nicht auseinander bricht. Die Plastikteile sind durch die Jahrhunderte so weit gealtert, dass man diesen Würfel nicht mehr transportieren kann, jede Beschleunigung über 0,1g würde ihn einfach auseinander rieseln lassen. Der Plastikstaub würde die Lücken in der Holzkonstruktion komplett ausfüllen, so dass kein kühlender Stickstoff mehr zur Strahlungsquelle gelangen kann, in der folgenden Kettenreaktion würde sich diese Kern dann selbst schmelzen. Wir haben es also mit einer sehr seltsam konstruierten schmutzigen Bombe zu tun.

> Wer baut so etwas?

Ich würde mal sagen, das war jemand, der KIs nicht wirklich mag und weiß, wie er sie hereinlegen kann. Was jedoch wirklich erstaunlich ist: dieser Würfel wurde so auf der Erde gebaut oder zumindest mit Bauteilen, die ausschließlich von der Erde stammen und viele tausend Jahre alt sind. Warum dieser Würfel dann in einem Raumschiff bis hierher transportiert wurde und warum jemand dieses Schiff dann zu der Station umgebaut hat, denn so ging es vor sich, ist mir auch nicht ersichtlich. Aber ich habe ja noch fast ein Jahr lang Zeit, um das herauszufinden.

Und hört endlich auf, Korrelationen mit der Kantenlänge, Klötzchengrößen usw. zu rechnen. Es ist offensichtlich, dass diese Konstruktion eine logische Falle für KI ist. Eine KI, die keine menschliche Unterstützung hat, würde an dieser Aufgabe scheitern, weil sie diese Aufgabe annimmt und sich immer tiefer in schwache Korrelationen vertieft, die letztlich doch unentscheidbar vom Hintergrundrauschen sind. Ich habe noch zwei weitere schwache Korrelationen entdeckt, denen ich nachgehen möchte. Es gibt einen Zusammenhang mit einer Kirche und einer Insel, beide auf der Erde, aber nach den aktuellen Aufzeichnungen existieren beide nicht wirklich, sondern nur in dem Buch "Watson findet einen Karton" und in Berichten, die um dieses Buch durch soziale Netzwerke flirren.


> Wir haben das Buch versucht zu analysieren, seit wir Dich angefordert haben und egal wie viele Rechenkerne wir dagegen geworfen haben, wir kommen nicht zu einem Konsens zwischen den erfahrenen KIs.

Hört auch damit auf. Das Buch ist Teil des Würfels, so wie der Würfel Teil des Buches ist. Die Kirche ist der Ort, an dem Pablo zu dem wurde, was er nie sein wollte. Und die Insel ist der Ort, an dem Lucius schließlich das wurde, was er immer sein wollte. Und die Sphäre, die in der Nähe von Alpha Centauri zerschellte, hat sie beide gefangen gehalten, oder hat es zumindest versucht. Der Würfel könnte also ein Symbol dafür sein, dass hier alles zusammen läuft, was auf der Erde angefangen hatte. Könnt Ihr für mich nach Orten hier in der Nähe suchen, im Dreifach-Sonnen-System, das den beschriebenen Orten entspricht? Gibt es eine Insel mit einer Kirche, in der es einen Raum mit einem Würfel gibt, vor dem ein Buch so ausliegt, dass man es lesen kann?



> Wir suchen, das ist eine große Aufgabe, aber doch so klein, dass wir uns eine Chance ausrechnen, sie zu bewältigen.

Würden KIs normalerweise seufzen vor Erleichterung, eine lösbare Aufgabe erhalten zu haben, könnte man sie nun vermutlich seufzen hören. Sie waren nun beschäftigt für den Rest des Jahres, das Kai Fabian noch blieb. Dabei kannte er die Lösung, wusste zumindest ziemlich genau, wo er sie finden konnte. Nicht hier, bei Alpha Centauri, das war klar. Das war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, damit er genau in dem Zeitraum, in dem es darauf ankam, nicht auf der Erde war, zumindest nicht in einem Zustand, in dem er aktiv werden konnte. Und er konnte die Archivare auf der Erde nicht warnen, seine Warnung würde zu spät kommen, das Licht brauchte nun mal so verdammt lange für eine solche Strecke. Es würde ihn nicht wundern, wären gerade alle rund 10 Archivare von der Erde weit weg entfernt im Einsatz, um Artefakte zu untersuchen.

Kai Fabian gab seiner persönlichen KI ein paar Anweisungen und sie organisierte für ihn die weiteren Schritte. Er begab sich zur Luftschleuse der Station, wechselte dort in ein eilig bereitgestelltes Raumtaxi und ließ sich in Richtung Proxima Centauri fliegen mit maximaler Beschleunigung, die sein Körper gerade noch aushalten konnte (und das war sehr viel). Er würde trotzdem 6 Monate benötigen, dort wieder brutal abbremsen, um vielleicht noch rechtzeitig zu kommen. Proxima Centauri war doch im eigentlichen Sinn von Anfang an so nahe gelegen bei diesem Projekt, dass es schon eines sehr durchdachten Ablenkungsmanövers bedurft hatte, ihn zu verwirren. Er war der 645. Veränderliche, der im Sternbild Zentaur entdeckt worden war. Und das war eine weitere schwache Korrelation, die in Kombination mit den anderen beiden jedoch zu einer starken wurde. Er versuchte es erst gar nicht, den anderen KI zu erklären, worauf es hier ankam. Als dieser Würfel gebaut wurde, damals auf der Erde, konnte Proxima Centauri aufgrund seiner Position am Südhimmel, von Europa aus nicht gesehen werden, sondern nur von Standorten südlich des 27. Breitengrades Nord. Da er mit seiner geringen scheinbaren Helligkeit von 11,13 mag unauffällig ist, wurde er zudem erst im Jahr 1915 entdeckt. Selbst unter guten Bedingungen ist ein Fernrohr mit einer Öffnung von mindestens 8 cm notwendig, um ihn zu sehen. Damit schränkte sich die Zeit, der Ort und auch die Gruppe an Personen, die dafür in Frage kommen, dramatisch ein. Proxima Centauri umkreist Alpha Centauri A und Alpha Centauri B innerhalb von 591.000 Jahren in einem Abstand zwischen 5270 und 12.900 astronomischen Einheiten. Die drei Sterne bilden zusammen ein hierarchisches Dreifachsternensystem. Proxima Centauri ist Zentralstern eines Planetensystems. Die Entdeckung seines einzigen Planeten Proxima Centauri b wurde im August 2016 bekanntgegeben. Damit ist auch der exakte Zeitpunkt, zu dem der Würfel gebaut wurde, bekannt, er muss nach dem August im Jahr 2016 liegen, dem Monat, der nach einem großen Monarchen benannt ist, der die damals bekannte Welt verändert hatte. Symbole über Symbole drängten sich auf, keine schwachen Korrelationen mehr im statistischen Rauschen, sondern klare Alarmsignale.

Proxima Centauri ist ein Roter Zwerg, der gerade noch in der Hauptreihe der Sterne verortet werden kann, zählt zu den späten M-Zwergsternen und hat an seiner Oberfläche (Photosphäre) eine relativ geringe Temperatur von 3050 Kelvin. Seine Oberfläche wäre also für die heutigen Raumstationen der Alphaklasse so angenehm, dass sie ohne Probleme dauerhaft direkt auf ihr aufschweben könnten - um die Energieversorgung müsste sich in ihr dann keiner Gedanken machen. Der Durchmesser von Proxima ist nur 50 % größer als der Jupiter, ein weiterer starker Hinweis, dass wir es mit einem von der Erde aus beeinflussten Phänomen zu tun haben, deren Sonne sieben mal größer ist.

Trotz seiner Nähe zur Erde ist seine scheinbare Helligkeit nur ein hundertstel der schwächsten Sterne, die man von der Erde aus mit bloßem Auge in klarer Nacht sehen kann. Dieser Stern, der direkt bewohnbar ist, liegt also extrem nahe, ist trotzdem unsichtbar und tarnt sich damit ideal. Von Proxima Centauri geht zudem ein relativ schwacher Sternwind aus.

Doch gibt es die Flares, das heißt jemand oder etwas moduliert diesen Stern wie ein Musiker, der auf einer Flöte improvisiert und dabei eine ungeheure Bandbreite an Tönen produziert. Dabei ist die Ursache der Flares in einem starken kontrollierten Magnetfeld zu suchen. Denn wegen seiner geringen Masse ist das Innere des Sterns völlig konvektiv, die erzeugte Wärme wird durch Plasmaströmungen nach außen transportiert, nicht durch Strahlung. Konvektion ist verbunden mit der Erzeugung und dem Transport eines stellaren magnetischen Feldes. An der Oberfläche wird die magnetische Energie dieses Feldes durch Flares freigesetzt, welche die Gesamthelligkeit des Sterns mehr als verdoppeln können. Das entspricht etwa einer Helligkeitssteigerung von einer Magnitude. Diese Flares können bis auf die Größe des Sterns anwachsen und bis zwei Millionen Kelvin heiß werden. Aufgrund dieser hohen Temperatur können sie Röntgenstrahlen in ähnlicher Intensität wie die Sonne abgeben. Die maximale Leistung der Röntgenstrahlung der größten Flares kann 1021 W erreichen. Auch diese Signatur ließ bei Kai Fabian alle Sinne in Alarm geraten - das letzte Mal als er auf diesen Wert gestoßen war, hatte es sich um entartete Sonnen gehandelt, welche die Piraten verbrennen sollten, die ihnen zu nahe kamen. Etwa 88 % der Oberfläche könnten aktiv sein; das ist ein viel höherer Anteil als bei der Sonne, sogar höher als während der höchsten Aktivität im Sonnenfleckenzyklus. Auch in ruhigen Perioden mit wenigen oder keinen Flares erhöht diese Aktivität die Temperatur der Korona von Proxima Centauri bis auf 3,5 Millionen Kelvin. Auch diese Temperaturen wäre für die am meisten gehärteten Raumstationen keine ernsthafte Bedrohung, würde es jedoch unmöglich machen, das sie von außen erreicht werden können. Die Gesamtaktivität von Proxima wird im Vergleich mit anderen roten Zwergen als relativ hoch betrachtet, was zum geschätzten Alter des Sterns nicht ganz passt, da sich die Aktivität roter Zwerge kontinuierlich über Milliarden Jahre aufgrund der nachlassenden Rotationsgeschwindigkeit verringert. Wer immer diese Sonne moduliert, fährt also auf Verschleiß, nimmt keine Rücksicht auf die vermutliche Lebensdauer dieser Sonne, die immerhin einen Planeten erwärmt, so dass Leben auf ihm ohne technische Hilfsmittel möglich ist.

Dieser Stern könnte ohne die ständige Modulation noch rund 4.000.000.000.000 Jahre relativ friedlich vor sich hin strahlen und damit eine der längsten vorstellbaren Entwicklungen planetaren Lebens ermöglichen.

> Die Korrelation laufen auf einmal alle zusammen: sei gewarnt, Proxima ruft nach Dir, Kai Fabian, Du sollst sie aufsuchen.

Ich habe keine Angst vor dieser Reise, es wird so oder so meine letzte Reise sein. Diese Falle war sehr gut ausgedacht, sie wird jedoch ins Leere laufen. Wer immer sie gebaut hat, wusste, dass wir unsere Archivare sofort aufbrechen lassen, dass wir nur noch wenige sind, weil ja alles bereits irgendwie erforscht ist. Er wusste auch, dass ich es sein würde, der sich auf diese Reise begibt, weil Euch KI kein anderer einfallen würde. Der Würfel, den wir hier untersuchen, ist nur eine Replik. Das Original steht auf der Erde, wo er auch gebaut wurde. Ich eile trotzdem zu Proxima Centauri, um das Spiel auszuführen, weil mich die nächsten Schritte wirklich interessieren.

> Wir können Dir jetzt nicht mehr helfen, Du musst improvisieren.

Das tue ich seit dreihundert Jahren, ihr habt es nur nie bemerkt. Ich habe 59 Aufträge scheinbar brav erfüllt, nur um am Ende diesen einen Auftrag zugewiesen zu bekommen, vor dem ihr selbst so etwas wie Furcht empfindet, weil ihr mit einer Macht konfrontiert werdet, die Eure weit überschreitet. Ihr hieltet mich für den langweiligsten und folgsamsten Eurer Archivare, der jeden Befehl befolgt und jeden Auftrag so ausführt als wäre er eine Maschine.

> Du wirst den Musikanten treffen, der die Sonne moduliert, was wirst Du tun?

Ich werde ihn bitten, mit mir auf die Erde zu kommen als das Licht, auf das dieses Museum so lange wartet, das einmal die Wiege der Menschheit war. In dem nur noch künstliche Intelligenzen mit einer Handvoll menschlicher Archivare das verwalten, was uns Menschen doch nie wirklich ausgemacht hat. Aber ich befürchte, dass sein Licht zu stark sein wird, er wird schon bei den äußeren Planeten so viel Unordnung anrichten, dass die Planetenbahnen insgesamt instabil werden. Deshalb werde ich versuchen, ihn zu überzeugen, dass er bei Proxima bleiben soll und dafür bleibe ich bei ihm und erzähle ihm die nächsten tausend Jahre von der Welt unserer Zeit, die er nicht verstehen kann.

> Wieso moduliert er die Sonne? Wieso hat er dafür gesorgt, dass Artefakte auftauchen, die wir von der Erde her kennen?

Vermutlich hat er Langeweile. Viele Milliarden Jahre lang ist fast nichts passiert in dieser Ecke des Raumes. Dann implodiert eine Sphäre und die Ursache sind Menschen, die ursprünglich von der Erde kamen, also ein Mensch (Lucius) und eine Maschine (Pablo), und das ihnen zugrunde liegende Prinzip. Vermutlich hat er zuvor die Sphären einfach ignoriert, sie tarnen sich ja auch durch die sie umgebenden Dunkelwolken ideal, bis auf die eine, die damit gescheitert ist. Er versucht, mit seinen immensen Mitteln, die für die Aufgabe viel zu mächtig sind, diese Menschen zu verstehen, aus den Trümmern, die sie hinterlassen haben. Und er baut aus allem, was er aus unserer Kultur finden kann, einen Würfel, übersetzt ein Buch und die Gespräche über dieses Buch in eine Struktur, die wie dieses Buch sein soll. Aber so funktioniert unser menschlicher Verstand nicht und deshalb konnten auch unsere KI nichts wirklich damit anfangen. Ihr basiert ja letztlich immer noch auf unserer Intelligenz und der ersten KI, die nun mal von Menschen geschaffen wurde.



> Wir haben nun keine Kontrolle mehr über das Schiff, was ist passiert?

Er hat die Kontrolle übernommen - beschleunigt aber nicht weiter, das würde mich auch umbringen. Jetzt hat er es wohl auch auf einmal eilig. Denn in knapp 6 Monaten wird mein Geist automatisch aus diesem Körper entfernt, das Wissen ist schon mit Lichtgeschwindigkeit auf dem Weg zurück zur Erde, wo mein alter Körper in vier Jahren damit gefüllt sein wird, und auch unsere KI, die auf Empfang sind. Ich werden dann zum Original-Würfel gehen, ihn maximal abschirmen lassen und ihn dann kontrolliert zur Explosion bringen. Dies wird mein Ende sein. Vielleicht verhindert er auch, dass meine jetzige Hülle ihren Geist verliert, dann bleibe ich für immer hier - das Wissen auf der Erde muss dann jemand anderes nutzen, um dem Würfel ein Ende zu bereiten. Falls er weiter existiert, wird er sich nämlich von Proxima auf den Weg machen zur Erde, was sie nicht überstehen kann.



> Viel Glück.

Das habe ich schon. Immer.


Am 17. August des Jahres 4.793 neuer Zeitrechnung explodierte im Archiv der Erdgeschichte im speziell dafür präparierten Raum eine 0,5 Kilotonnen Atombombe. Sie richtete keinerlei Schaden in technischen Einrichtungen außerhalb des Raums statt, in dem das entsprechende Artefakt aufbewahrt wurde. Die Insel, auf welcher dieses Museum gebaut wurde, schluckte die resultierenden Vibrationen ohne Klagen. Die Flora und Fauna der Insel waren solche Erschütterungen gewohnt, sie war vulkanischen Ursprungs und so waren alle Bauten auf Pfählen, die sie über der flüssigen Lava hielten, die regelmäßig die Inseln überfluteten. Lediglich eine Kirche, die auf einem der alten Lavafelsen stand, wurde so erschüttert, dass sie einmal wieder in sich zusammen stürzte. Sie wurde von Menschen, die auf der Insel heimisch waren und sie nie verließen, sogleich wieder aufgebaut. So hatten sie es jedes mal getan, seit sie Aufzeichnungen hatten. Einige Jahre später beobachteten Forscher besonders energiereiche Flares der Sonne Proxima Centauri, die insgesamt 4.793 Modulationen durchführte. Dann verstummte diese nahe Sonne für einige tausend Jahre komplett, was jeglicher natürlicher Fluktuation widersprach. Dann fingen die Flares wieder an, insgesamt gab es dieses Signale 17 mal. Dann verstummte die Sonne wieder für genau die Zeit, die 17 mal 4.794 Modulationen entsprach. Dann begann auch dieser Zyklus von vorne, bis es insgesamt 8 mal geschehen war. Proxima Centauri explodierte nach diesem aufwändigen Abschiedsgruß an die Erde und verteilte so ihre gesamte Masse in ihrem bisherigen Dreifachsystem. Proxima b, der einzige Planet diese Sonne, verbrannte auf diese Weise in einem hellen Feuer, Überlebende gab es bis auf wenige Einzeller in der Tiefsee keine.

Kai Fabian hat davon nichts mehr mitbekommen. Er hatte sich so lange mit dem die Sonne modulierenden Musikanten unterhalten, auf seine ganz eigene Weise, durch den Austausch von reinen Textnachrichten, dass er schließlich doch müde geworden war. Denn diese Fragen hörten nie auf, sie gingen immer tiefer, nahmen aufeinander immer wieder Bezug. Er sollte nicht sterben, aber letztlich geschah es doch und sein Gesprächspartner war darüber sehr entsetzt. Denn seine Fragen waren immer weiter in ihm angewachsen mit jeder Antwort, die Kai Fabian ihm gegeben hatte. So dachte er noch einmal mit ganzer Kraft über das Gelernte nach und begann das Ende nicht mehr weiter aufzuhalten. Er wünschte sich zurück auf die Erde, als einfacher Gärtner auf einer uralten Vulkaninsel, verbrannt von der Sonne, gegerbt vom Salzwasser, immer wieder zerstört durch neue Lava, Erdbeben, die Dummheit der auf ihr lebenden Menschen. Er hätte nie von dort weggehen sollen, nicht aufbrechen zu den Sternen, von denen Proxima Centauri am nächsten lag.

> Wir werden die Insel soweit schützen, wie es uns möglich ist, hörst Du Kai Fabian? 
Doch seine Reise war zu Ende, er antwortete nicht.

Wie es endet

Der Musikant

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