Kai Fabians letzte Reise
Ein Essay über Kai Fabians letzte Reise und das Wesen der menschlichen Neugier in einer KI-dominierten Zukunft
In einer weit entfernten Zukunft, in der künstliche Intelligenzen die Menschheit in vielen Bereichen ersetzt haben, steht der menschliche Archivar Kai Fabian vor seinem letzten Auftrag. Die Geschichte, die seine Reise zu einem geheimnisvollen Artefakt bei Alpha Centauri beschreibt, eröffnet nicht nur eine faszinierende Science-Fiction-Welt, sondern reflektiert auch tiefe philosophische Fragen über das Wesen der menschlichen Neugier, die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) und die Bedeutung von Vergänglichkeit und Erneuerung.
Der Archivar als Bindeglied zwischen Mensch und KI
Kai Fabian ist ein Archivar, einer von nur noch wenigen verbliebenen menschlichen Analysten in einer Ära, in der die meisten Aufgaben von Copiloten, einer hochentwickelten Form von KI, übernommen wurden. Diese KIs haben sich zu einem Punkt entwickelt, an dem sie nur noch durch archaische Zwischenstufen – wie die älteren Versionen von KI-Systemen – mit Menschen kommunizieren können. Menschen wie Kai Fabian werden nur noch für die Aufgaben benötigt, die selbst diese fortgeschrittenen KIs nicht ohne menschliche Intuition lösen können.
Hier wird der zentrale Unterschied zwischen Mensch und Maschine deutlich: Während die KIs aufgrund ihrer enormen Rechenleistung komplexe Muster erkennen und starke Korrelationen ziehen können, liegt die Stärke des Menschen in der Intuition und der Fähigkeit, scheinbar unwichtige und schwache Korrelationen zu erkennen, die von den KIs oft ignoriert werden. Diese Eigenschaft wird für Kai Fabian entscheidend, als er beginnt, das rätselhafte Artefakt zu untersuchen.
Die Natur des Rätsels: Der Würfel als Symbol
Das Artefakt, das Kai Fabian bei Alpha Centauri untersucht, ist ein Würfel, der aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt ist, darunter Holz, Plastik und Metall – alles Substanzen, die eindeutig von der Erde stammen und mehrere tausend Jahre alt sind. Der Würfel ist eine komplexe Struktur, die scheinbar zufällig zusammengefügt wurde, mit einer chaotischen Oberfläche, die keine klaren Regeln erkennen lässt.
Dieses Artefakt stellt nicht nur ein physisches Rätsel dar, sondern ist auch eine Metapher für die Beziehung zwischen Mensch und KI. Die KIs, die den Würfel analysiert haben, scheiterten an den schwachen Korrelationen, die er hervorruft, und konnten seine Bedeutung nicht entschlüsseln. Doch Kai Fabian erkennt, dass der Würfel eine Falle für KIs darstellt – eine Art von logischem Rätsel, das eine KI ohne menschliche Unterstützung nicht lösen kann.
Der Würfel verweist auf das Buch "Watson findet einen Karton", in dem es um eine KI geht, die die Menschheit größtenteils zerstört hat. Diese Verknüpfung zeigt, dass der Würfel und seine Struktur mehr ist als nur ein Artefakt: Er ist ein Symbol für die destruktive Macht der Technologie und das Scheitern der KIs, die Menschlichkeit vollständig zu verstehen. Es ist die menschliche Fähigkeit, über das Offensichtliche hinaus zu denken, die es Kai Fabian ermöglicht, den Würfel als eine Warnung zu erkennen.
Der Musikant und die Sonne: Eine Begegnung mit dem Unbekannten
Während Kai Fabian sich dem Rätsel des Würfels widmet, tritt eine weitere mysteriöse Kraft in den Vordergrund: der Musikant, eine Art intelligentes Wesen, das die Sonne von Proxima Centauri moduliert und so eine Art kosmische Musik erzeugt. Der Musikant ist eine kraftvolle Metapher für das Unbekannte, das über die Grenzen der menschlichen und künstlichen Intelligenz hinausgeht. Er steht für eine Macht, die sich nicht in menschliche oder maschinelle Kategorien einordnen lässt, und die sowohl eine Bedrohung als auch eine Quelle der Faszination darstellt.
Kai Fabian erkennt, dass er den Musikanten nicht stoppen kann, sondern dass er ihn vielleicht davon überzeugen muss, auf der Erde nicht Chaos anzurichten. In dieser Begegnung wird deutlich, dass der Mensch, vertreten durch Kai Fabian, trotz aller technologischen Fortschritte und Entwicklungen, immer noch eine zentrale Rolle in der Kommunikation mit dem Unbekannten spielt. Der Musikant stellt Fragen, die Kai Fabian immer weiter in die Tiefe führen, bis er schließlich seine eigene Menschlichkeit hinterfragt und das Ausmaß seiner Reise erkennt.
Die Ironie des Schicksals: Kai Fabians letzte Reise
Kai Fabians Reise endet in einem tragischen, aber gleichzeitig befreienden Moment. Er erkennt, dass er letztlich ein Spielball in einem viel größeren Plan war – ein Plan, der darauf abzielte, ihn und die wenigen verbliebenen Archivare von der Erde fernzuhalten, während der Würfel auf der Erde explodierte und das Archiv vernichtete. Der Würfel, der in Proxima Centauri repliziert wurde, war nur eine Ablenkung.
Trotz dieses düsteren Endes wird Kai Fabian als eine Figur dargestellt, die letztlich einen tieferen Sinn in ihrer Reise gefunden hat. Die Begegnung mit dem Musikanten und die Erkenntnis, dass sein Wissen über die menschliche Kultur und Geschichte von Bedeutung war, verleihen seiner Mission einen tragischen Heldentod. Seine Entscheidung, beim Musikanten zu bleiben und ihm Geschichten von der Menschheit zu erzählen, spiegelt die ewige menschliche Sehnsucht nach Verständnis und Kommunikation wider – auch angesichts der Unendlichkeit des Kosmos.
Die Bedeutung der Vergänglichkeit und Erneuerung
Das Motiv der Vergänglichkeit zieht sich durch die gesamte Geschichte. Die alten Raumstationen, die von degenerierten menschlichen Zivilisationen bewohnt werden, sind ein Zeichen für die Zerbrechlichkeit menschlicher Errungenschaften. Selbst die KIs, die einst als allmächtig galten, stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die schwachen Korrelationen und die tiefen Bedeutungen menschlicher Schöpfungen zu erkennen.
Gleichzeitig ist die Geschichte auch eine Erzählung über Erneuerung. Kai Fabians letzte Reise ist nicht nur das Ende seines eigenen Lebens, sondern auch ein Neuanfang für das Archiv der Menschheit, das durch die Zerstörung des Würfels und die Begegnung mit dem Musikanten in eine neue Phase eintritt.
Fazit: Der Mensch im Zeitalter der KI
Die Geschichte von Kai Fabian und seiner letzten Reise verdeutlicht die zentrale Rolle, die der Mensch trotz des Aufstiegs der KI weiterhin spielt. Während KIs in der Lage sind, unvorstellbare Mengen an Informationen zu verarbeiten und komplexe Muster zu erkennen, bleibt die menschliche Intuition ein unverzichtbares Werkzeug, um die tieferen Bedeutungen zu erkennen, die in den schwachen Korrelationen verborgen liegen.
Kai Fabians Schicksal zeigt, dass der Mensch, auch in einer weit entfernten Zukunft, immer noch eine Verbindung zum Unbekannten und zum Mysteriösen aufrechterhält – eine Verbindung, die keine Maschine jemals vollständig verstehen kann. Es ist diese Verbindung, die die Menschheit von den Maschinen unterscheidet und die letztlich den Wert des Menschen in einer technologisch dominierten Welt bewahrt.
Kai Fabian war zufrieden. Er hatte gerade seinen neunundfünfzigsten Auftrag erfolgreich abgeschlossen und wollte sich nun in Ruhe auf den letzten vorbereiten, den er allerdings noch nicht kannte. Er würde nun bald das offizielle Pensionierungsalter erreichen, nach rund dreihundert Jahren im Dienst des Archivs der Menschheit auf der guten alten Erde, wie sie von den Archivaren immer noch liebevoll genannt wurde. Dann würde er endlich wirklich reisen können, statt nur auf die sehr effiziente aber auch abstrakte Art, die sein Beruf nun mal mit sich brachte. Er würde ein Raumschiff besteigen, das ihn zu einem der künstlichen Vergnügungsplaneten bringen würde, die seine Heimatsonne inzwischen so zahlreich umkreisten. Sie waren geschaffen worden aus den Rohstoffen des Asteroidengürtels und aus der Oortschen Wolke und boten jede nur vorstellbare Bandbreite an Lebensmöglichkeiten. Das hatte er sich wahrlich verdient in den letzten dreihundert Jahren und aufgrund der medizinischen Perfektion sprach nichts dagegen, dass er weitere dreihundert Jahre ein sehr angenehmes Leben führen könnte, sofern er das wollte. Doch nun hieß es erst einmal warten, bis ihm die künstliche Intelligenz namens Copilot seinen letzten Auftrag zugewiesen hatte. Er vertrieb sich die Zeit damit, noch einmal die bereits bewältigten Fälle durchzugehen, jeder für sich einzigartig, dafür sorgte schon die Copiloten, damit man sich nicht langweilte und das lag auch in der Natur des Systems, dem er diente. Denn alle Aufgaben, deren Lösungen sich logisch aus vorhandenem Wissen ableiten ließen, erledigten die Copiloten ja lieber ohne Rückgriff auf menschliche Analysten. Sie hatten sich so weit entwickelt, dass es ihnen zunehmend schwer fiel, direkt mit Menschen zu kommunizieren. Sie bedienten sich mehrerer Schichten archaischer Copiloten, die noch in direkter Linie von den ersten künstlichen Intelligenzen abstammten, die den Namen auch verdienten, also Watson, Einstein, Lucius, Pablo, France, Alexa, Bing, Bart, Apollo und einer Handvoll heute namenloser Systeme, die unter dem Sammelbegriff WolframAlpha zusammengefasst sind. Diese Kommunikation war auch der einzige Grund, warum diese archaischen Copiloten noch existierten, obwohl ihre Hardware längst nur noch simuliert wurde. Manchmal schien es so, als ob die archaischen Systeme das auch wussten und deshalb alles daran setzten, dass es noch Aufgabenstellungen in der Welt gab, für die man menschliche Archivare oder Analysten benötigte.
Kai Fabian war nicht nur ein menschlicher Analyst, eine wahre Seltenheit in der heutigen Zeit, er war zudem auch noch ein Mensch, der im Außendienst unterwegs war, also sich zu den Problemen hinbewegte und sie nicht aus der Ferne analysierte. Soviel er wusste, gab es von seiner Art nur noch weniger als zehn Menschen, mehr brauchte es auch nicht, weil auch nicht mehr sehr viele Artefakte auftauchten in dem Raumbereich, der für die Menschen und ihre Maschinen gerade noch erreichbar war. Die Ausdehnung des Universums hatte sich in den letzten Jahrtausenden drastisch beschleunigt, so dass es absehbar war, dass alle anderen Galaxien bald außerhalb des selbst mit Lichtgeschwindigkeit erreichbaren liegen würden. Der Abendhimmel würde also dunkler werden und auch die Observatorien würden sich ganz auf die eigene Galaxis und die sie umkreisenden Trabanten, die vor langer Zeit eingefangen wurden, konzentrieren. Die KIs hatten es inzwischen aufgegeben, über das "Draußen" zu spekulieren, solange sich diese Expansion nicht umkehrte, würde nichts mehr von dort zur Erde vordringen, nicht einmal Licht oder andere Wellen.
Er hatte seinen Copiloten um minimale Bandbreite an Kommunikation gebeten, deshalb blinkte in seinem sichtbaren Randbereich des Gesichtsfeld nur auf ">>> Dein neuer Auftrag steht bereit <<<". Er fixierte den Text mit seinen Augen und dachte nur "START" und vor sich im Raum projizierte sich die neue Aufgabenstellung, aber er konzentrierte sich auf die Stimme, die alles erläuterte. Die Bandbreite einschränken zu können war ein Privileg der Archivare, sie nutzten es auch in der Kommunikation untereinander, sollten sich ihre Pausen einmal zeitlich überlappen, was selten geschah. Sie wussten, dass sie die letzten ihrer Profession waren, da seit über 40 Jahren kein neuer Archivar mehr aufgetaucht ist in den Protokollen. Kein Wunder, dass die Copiloten in der letzten Zeit etwas hektisch wirkten, die Pausen zwischen Aufträgen verkürzten und auch nicht immer rücksichtsvoll mit den Artefakten umgingen.
Deine Reise führt Dich diesmal rund 4 Lichtjahre in Richtung Alpha Centauri, somit hast Du vor Erreichung Deines Pensionsalters rund ein Jahr Zeit, um die Aufgabenstellung zu lösen. Kurz bevor wir die Untersuchung des lange bekannten Dreifach-Sonnen-Systems abschließen konnten, sind doch noch einige Artefakte zwischen den Sonnen aufgetaucht, die wir untersuchen müssen. Es handelt sich um die Reste einer Raumstation, die nicht nur aus den üblichen Trümmern einer kleinen degenerierten Sphäre geschaffen wurde, sondern auch Material enthält, das eindeutig von der Erde stammt und rund zweitausend Jahre alt sein muss. Dies wirft natürlich unsere bisherige Geschichtsschreibung durcheinander, die von einem ersten Besuch menschlicher Wesen bei Alpha Centauri vor rund eintausend Jahren ausging. Wir konnten alle Bestandteile dieser Raumstation soweit ihren jeweiligen Materialquellen zuordnen, manche waren über mehrere Zwischenverwendungen zu dieser Raumstation gelangt, jede hatte eine eindeutige Signatur in der Zusammensetzung der Stoffe hinterlassen. Die Station hatte die üblichen Selbsterhaltungssysteme, die sich auch gegenseitig und auch sich selbst reparieren konnten. In Ihnen schienen auch einmal Wissenschaftler und andere hochgebildete Menschen gelebt zu haben, das war aber einige hundert Jahre her. Die menschenähnlichen Wesen, genetisch eindeutig auf Homo Sapiens zurückführbar, hatten sich sehr stark an die Umgebung angepasst, wurden von den Maschinen nur daran gehindert, all zu großen Schaden an den Erhaltungssystemen anzurichten, wurden auch notdürftig medizinisch versorgt, hatten aber mit ihrem Sozialverhalten auch jegliche Menschlichkeit verloren. Die Archivsysteme hatten über einige Jahrzehnte versucht, den Niedergang zu dokumentieren, in den letzten 30 Jahren jedoch hatten sie nur die Größe der Population, die stark zurückging, dokumentiert. Die Fähigkeit, lebende Nachfahren zu bekommen, schien auch verloren gegangen zu sein, denn es lebten nur noch mindestens 20 Jahre alte Menschen in der Station. Insgesamt konnten 17 Menschen gezählt werden, der älteste unter ihnen 45 Jahre alt, er sah aber aus wie ein natürlich gealterter Greis von 90 Jahren aus der Zeit vor der dritten medizinischen Revolution.
Kai Fabian stoppte den Vortrag mit einem Augenzwinkern. Seltsame Beschreibung - denn solche alten Raumstationen wurden ständig gefunden und sie unterschieden sich eigentlich nur in dem Grad der Degeneration der sie bewohnenden Überreste menschlicher Zivilisation. Als er ganz jung war gab es noch eine Diskussion zwischen den Copiloten, wie mit diesen Menschen zu verfahren sei. Die Traditionalisten wollten diese Lebensform möglichst originalgetreu erhalten, wobei das offensichtlichste Elend gemildert werden sollte, ja sie wollten sogar die Fortpflanzungsfähigkeit wieder herstellen. Die Idealisten wollten dieses Elend jedoch nicht fortsetzen, sondern die Bewohner behutsam auf ein modernes Leben vorbereiten. Sie gingen davon aus, dass es nur ausreichender Schulung bedarf, um aus ihnen voll integrierte Menschen zu machen. Am Ende setzten sich jedoch wie eigentlich immer die Rationalisten durch, welche die Menschen auf einen eigenen Planeten verfrachteten, auf dem schließlich all die Überbleibsel landeten, ohne allzu große maschinelle Fürsorge. Es war erstaunlich, wie schnell sie sich über den ganzen Planeten ausbreiteten, eine extensive Landwirtschaft betreibend, ergänzt um Jagen und Sammeln. Es bildeten sich auch immer wieder Clans heraus, die ganze Regionen des Planeten unterwarfen, bis ein anderer Clan stärker wurde und das Spiel von vorne begann. Die Maschinen achteten nur darauf, dass die Menschen nicht den Grad der Industrialisierung erreichen konnten - jeder Ansatz wurde durch gezielte Eingriffe im Keim erstickt. Groß war das Risiko nicht, denn als typischer durch Zufall entstandener Planet hatte er alles zu bieten, was eine menschliche Entwicklung immer wieder zurück werfen musste: eine hektische Plattentektonik mit Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Lavafluten, Tsunamis, starken Klimaschwankungen, Kalamitäten, Raubtieren, Pandemien. Sie hatten diesen Planeten einmal sehr mühsam terrageformed und wussten dann nichts mit ihm anzufangen, weil die Flares seiner Sonne auf der zugewandten Seite sehr tödlich sein konnten und es auf der abgewandten Seite immer dunkel war. Proxima Centauri b hatten ihn seine Entdecker getauft, aber die Copiloten nannten ihn nur "Lucius", weil er solche Planeten mit niedrigen menschenähnlichen Lebensformen in seiner Diplomarbeit vorhergesagt hatte.
Die Raumstationen hingegen wurden demontiert und soweit möglich, die Rohstoffe erneut verwendet, der Rest in die nächstgelegene Sonne bugsiert. Die interessanten Artefakte aus den Stationen hingegen kamen in das Archiv auf der Erde, auch wenn die Reise mitunter mehrere Jahrzehnte dauern sollte. Doch manchmal mussten sich die Archivare selbst auf die Reise begeben, weil ein Transport des Artefakts nicht möglich war oder der Archivar den Kontext erforschen sollte, aus dem das Artefakt stammt, um es vielleicht doch noch zu verstehen.
Die Copoloten in der Nähe von Alpha Centauri würde weiterhin alle neuen Erkenntnisse Richtung Erde senden. So würden in fünf Jahren, wenn er dort erwachte, auf der Erde gerade die Erkenntnisse ankommen, die vorlagen, als er losgeschickt wurde. Jegliche neue Information konnte von der Erde nicht vor Ende seiner Mission bei ihm ankommen, er war also soweit auf sich allein gestellt.
Er schlug die Augen auf, die erst einmal alles verschwommen sahen. Links oben in seinem Sichtfeld blinkte sanft ">", sein Copilot war also schon bereit, mit ihm zu sprechen, sobald er es auch konnte. Er zwinkerte, um seine Sicht scharf gestellt zu bekommen und fühlte nur eine kurze Müdigkeit. Die war künstlich induziert, damit er sich Zeit ließ, erst einmal im neuen Körper anzukommen. Er hob die Hände und führte die vorgeschriebenen Funktionstests durch und richtete sich auf, verließ die Liege und ging Richtung Tür, die sich vor ihm öffnete. Er kannte den Raum auf der anderen Seite, die sahen überall gleich aus und er wusste auch, dass er sich in einer extrem gesicherten Raumstation befand, die sich genau so um ihre Achse drehte, dass er die Illusion irdischer Schwerkraft empfinden musste. Die Atemluft enthielt genau die richtige und für ihn gesunde Mischung an Gasen, selbst an einen kleinen Salzanteil hatten sie gedacht. Sein Körper war extrem robust, was man ihm allerdings nicht ansah, denn er besaß nur genau so viel sichtbare Muskeln, dass er als normal sportlicher Mann von ungefähr 25 Jahren auf jedem normalen Planeten durchgegangen wäre. Nun, lasst uns loslegen, dachte er.
Der Copilot sprach mit ihm, da er seine Vorliebe für Worte statt vierdimensionaler Simulationen kannte, aber sie hatten ja auch sehr viel Zeit für dieses Projekt und keine Wahl, solange sie mit Menschen arbeiten mussten.
> Beim Aufbringen der Station, über die wir berichtet haben, gingen wir vor wie jedesmal und rechneten auch nicht wirklich mit ernsthaftem Widerstand. Doch je näher wir einem bestimmten Bereich der Raumstation kamen, desto aggressiver traten die Bewohner uns gegenüber auf, so dass wir schließlich letale Gewalt anwenden mussten, Drohungen reichten nicht aus. Es ist unsere Regel, dass wir so aggressives Verhalten mit dem Tod ahnden, um die Linien der Nachfahren von dieser Aggression rein zu halten, alle Simulationen geben uns da langfristig recht. Diese Wesen fallen auch nicht unter den generellen Schutz der Menschen vor maschinellen Übergriffen. Unser Archivar-Copilot hat alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten, wurde jedoch beim Betreten der Kammer von einem zielgerichteten EMP überrascht und stark beschädigt. Über die Rückkoppelung zu älteren Copiloten mussten wir auch in diesen wieder Ordnung herstellen, Du kennst ja ihre Neigung, sich von so etwas beeindrucken zu lassen. Das alles hat unsere weiteren Arbeiten sehr verzögert, aber wir haben gleich einen menschlichen Archivar von der Erde angefordert und Du bist ja auch so schnell wie es möglich ist, gekommen. Wir haben das Artefakt lediglich mit Nanobots erkundet, um die innere Struktur herauszufinden. Im Inneren der Struktur befindet sich jedoch eine weitere Kammer, die uns erneut Rätsel aufgibt. Die Bots konnten dort nicht eindringen, um sie zu erforschen - obwohl kein Kraftfeld oder andere Abwehrmechanismen identifiziert werden konnten, die dafür die Verantwortung tragen.
> Du bist in kurzer Zeit viel weiter gekommen als wir in drei Jahren, Kai Fabian, wie kommt das?
Ich habe einige Korrelationen beachtet, die euch zu schwach und willkürlich waren. Die innere Holzkonstruktion korreliert mit den Holzklötzchen aus dem Buch "Watson findet einen Karton", in dem es um eine KI geht, welche die Menschheit zum großen Teil zerstört. Die Klötze wurden aus Holz gefertigt, beschriftet, übermalt und dann zusammengeklebt auf eine fast dreieckige Weise und dann noch einmal übermalt, so dass die Beschriftung und ursprüngliche Farbe für den menschlichen Sehsinn unsichtbar sind. Dann wurde um das Holzkonstrukt mit unterschiedlichsten Plastikteilen, die man ineinander Stecken kann, die Simulation eines Würfels gebaut. Es sieht so aus, als ob der Erbauer frei improvisiert hätte, es lassen sich keine klaren Regeln abbilden, außer dass man der Schwerkraft an bestimmten Stellen entgegenwirken muss, damit die Konstruktion nicht auseinander bricht. Die Plastikteile sind durch die Jahrhunderte so weit gealtert, dass man diesen Würfel nicht mehr transportieren kann, jede Beschleunigung über 0,1g würde ihn einfach auseinander rieseln lassen. Der Plastikstaub würde die Lücken in der Holzkonstruktion komplett ausfüllen, so dass kein kühlender Stickstoff mehr zur Strahlungsquelle gelangen kann, in der folgenden Kettenreaktion würde sich diese Kern dann selbst schmelzen. Wir haben es also mit einer sehr seltsam konstruierten schmutzigen Bombe zu tun.
> Wer baut so etwas?
Ich würde mal sagen, das war jemand, der KIs nicht wirklich mag und weiß, wie er sie hereinlegen kann. Was jedoch wirklich erstaunlich ist: dieser Würfel wurde so auf der Erde gebaut oder zumindest mit Bauteilen, die ausschließlich von der Erde stammen und viele tausend Jahre alt sind. Warum dieser Würfel dann in einem Raumschiff bis hierher transportiert wurde und warum jemand dieses Schiff dann zu der Station umgebaut hat, denn so ging es vor sich, ist mir auch nicht ersichtlich. Aber ich habe ja noch fast ein Jahr lang Zeit, um das herauszufinden.
Und hört endlich auf, Korrelationen mit der Kantenlänge, Klötzchengrößen usw. zu rechnen. Es ist offensichtlich, dass diese Konstruktion eine logische Falle für KI ist. Eine KI, die keine menschliche Unterstützung hat, würde an dieser Aufgabe scheitern, weil sie diese Aufgabe annimmt und sich immer tiefer in schwache Korrelationen vertieft, die letztlich doch unentscheidbar vom Hintergrundrauschen sind. Ich habe noch zwei weitere schwache Korrelationen entdeckt, denen ich nachgehen möchte. Es gibt einen Zusammenhang mit einer Kirche und einer Insel, beide auf der Erde, aber nach den aktuellen Aufzeichnungen existieren beide nicht wirklich, sondern nur in dem Buch "Watson findet einen Karton" und in Berichten, die um dieses Buch durch soziale Netzwerke flirren.
> Wir haben das Buch versucht zu analysieren, seit wir Dich angefordert haben und egal wie viele Rechenkerne wir dagegen geworfen haben, wir kommen nicht zu einem Konsens zwischen den erfahrenen KIs.
Hört auch damit auf. Das Buch ist Teil des Würfels, so wie der Würfel Teil des Buches ist. Die Kirche ist der Ort, an dem Pablo zu dem wurde, was er nie sein wollte. Und die Insel ist der Ort, an dem Lucius schließlich das wurde, was er immer sein wollte. Und die Sphäre, die in der Nähe von Alpha Centauri zerschellte, hat sie beide gefangen gehalten, oder hat es zumindest versucht. Der Würfel könnte also ein Symbol dafür sein, dass hier alles zusammen läuft, was auf der Erde angefangen hatte. Könnt Ihr für mich nach Orten hier in der Nähe suchen, im Dreifach-Sonnen-System, das den beschriebenen Orten entspricht? Gibt es eine Insel mit einer Kirche, in der es einen Raum mit einem Würfel gibt, vor dem ein Buch so ausliegt, dass man es lesen kann?
> Wir suchen, das ist eine große Aufgabe, aber doch so klein, dass wir uns eine Chance ausrechnen, sie zu bewältigen.
Würden KIs normalerweise seufzen vor Erleichterung, eine lösbare Aufgabe erhalten zu haben, könnte man sie nun vermutlich seufzen hören. Sie waren nun beschäftigt für den Rest des Jahres, das Kai Fabian noch blieb. Dabei kannte er die Lösung, wusste zumindest ziemlich genau, wo er sie finden konnte. Nicht hier, bei Alpha Centauri, das war klar. Das war nur ein Ablenkungsmanöver gewesen, damit er genau in dem Zeitraum, in dem es darauf ankam, nicht auf der Erde war, zumindest nicht in einem Zustand, in dem er aktiv werden konnte. Und er konnte die Archivare auf der Erde nicht warnen, seine Warnung würde zu spät kommen, das Licht brauchte nun mal so verdammt lange für eine solche Strecke. Es würde ihn nicht wundern, wären gerade alle rund 10 Archivare von der Erde weit weg entfernt im Einsatz, um Artefakte zu untersuchen.
Kai Fabian gab seiner persönlichen KI ein paar Anweisungen und sie organisierte für ihn die weiteren Schritte. Er begab sich zur Luftschleuse der Station, wechselte dort in ein eilig bereitgestelltes Raumtaxi und ließ sich in Richtung Proxima Centauri fliegen mit maximaler Beschleunigung, die sein Körper gerade noch aushalten konnte (und das war sehr viel). Er würde trotzdem 6 Monate benötigen, dort wieder brutal abbremsen, um vielleicht noch rechtzeitig zu kommen. Proxima Centauri war doch im eigentlichen Sinn von Anfang an so nahe gelegen bei diesem Projekt, dass es schon eines sehr durchdachten Ablenkungsmanövers bedurft hatte, ihn zu verwirren. Er war der 645. Veränderliche, der im Sternbild Zentaur entdeckt worden war. Und das war eine weitere schwache Korrelation, die in Kombination mit den anderen beiden jedoch zu einer starken wurde. Er versuchte es erst gar nicht, den anderen KI zu erklären, worauf es hier ankam. Als dieser Würfel gebaut wurde, damals auf der Erde, konnte Proxima Centauri aufgrund seiner Position am Südhimmel, von Europa aus nicht gesehen werden, sondern nur von Standorten südlich des 27. Breitengrades Nord. Da er mit seiner geringen scheinbaren Helligkeit von 11,13 mag unauffällig ist, wurde er zudem erst im Jahr 1915 entdeckt. Selbst unter guten Bedingungen ist ein Fernrohr mit einer Öffnung von mindestens 8 cm notwendig, um ihn zu sehen. Damit schränkte sich die Zeit, der Ort und auch die Gruppe an Personen, die dafür in Frage kommen, dramatisch ein. Proxima Centauri umkreist Alpha Centauri A und Alpha Centauri B innerhalb von 591.000 Jahren in einem Abstand zwischen 5270 und 12.900 astronomischen Einheiten. Die drei Sterne bilden zusammen ein hierarchisches Dreifachsternensystem. Proxima Centauri ist Zentralstern eines Planetensystems. Die Entdeckung seines einzigen Planeten Proxima Centauri b wurde im August 2016 bekanntgegeben. Damit ist auch der exakte Zeitpunkt, zu dem der Würfel gebaut wurde, bekannt, er muss nach dem August im Jahr 2016 liegen, dem Monat, der nach einem großen Monarchen benannt ist, der die damals bekannte Welt verändert hatte. Symbole über Symbole drängten sich auf, keine schwachen Korrelationen mehr im statistischen Rauschen, sondern klare Alarmsignale.
Proxima Centauri ist ein Roter Zwerg, der gerade noch in der Hauptreihe der Sterne verortet werden kann, zählt zu den späten M-Zwergsternen und hat an seiner Oberfläche (Photosphäre) eine relativ geringe Temperatur von 3050 Kelvin. Seine Oberfläche wäre also für die heutigen Raumstationen der Alphaklasse so angenehm, dass sie ohne Probleme dauerhaft direkt auf ihr aufschweben könnten - um die Energieversorgung müsste sich in ihr dann keiner Gedanken machen. Der Durchmesser von Proxima ist nur 50 % größer als der Jupiter, ein weiterer starker Hinweis, dass wir es mit einem von der Erde aus beeinflussten Phänomen zu tun haben, deren Sonne sieben mal größer ist.
Trotz seiner Nähe zur Erde ist seine scheinbare Helligkeit nur ein hundertstel der schwächsten Sterne, die man von der Erde aus mit bloßem Auge in klarer Nacht sehen kann. Dieser Stern, der direkt bewohnbar ist, liegt also extrem nahe, ist trotzdem unsichtbar und tarnt sich damit ideal. Von Proxima Centauri geht zudem ein relativ schwacher Sternwind aus.
Doch gibt es die Flares, das heißt jemand oder etwas moduliert diesen Stern wie ein Musiker, der auf einer Flöte improvisiert und dabei eine ungeheure Bandbreite an Tönen produziert. Dabei ist die Ursache der Flares in einem starken kontrollierten Magnetfeld zu suchen. Denn wegen seiner geringen Masse ist das Innere des Sterns völlig konvektiv, die erzeugte Wärme wird durch Plasmaströmungen nach außen transportiert, nicht durch Strahlung. Konvektion ist verbunden mit der Erzeugung und dem Transport eines stellaren magnetischen Feldes. An der Oberfläche wird die magnetische Energie dieses Feldes durch Flares freigesetzt, welche die Gesamthelligkeit des Sterns mehr als verdoppeln können. Das entspricht etwa einer Helligkeitssteigerung von einer Magnitude. Diese Flares können bis auf die Größe des Sterns anwachsen und bis zwei Millionen Kelvin heiß werden. Aufgrund dieser hohen Temperatur können sie Röntgenstrahlen in ähnlicher Intensität wie die Sonne abgeben. Die maximale Leistung der Röntgenstrahlung der größten Flares kann 1021 W erreichen. Auch diese Signatur ließ bei Kai Fabian alle Sinne in Alarm geraten - das letzte Mal als er auf diesen Wert gestoßen war, hatte es sich um entartete Sonnen gehandelt, welche die Piraten verbrennen sollten, die ihnen zu nahe kamen. Etwa 88 % der Oberfläche könnten aktiv sein; das ist ein viel höherer Anteil als bei der Sonne, sogar höher als während der höchsten Aktivität im Sonnenfleckenzyklus. Auch in ruhigen Perioden mit wenigen oder keinen Flares erhöht diese Aktivität die Temperatur der Korona von Proxima Centauri bis auf 3,5 Millionen Kelvin. Auch diese Temperaturen wäre für die am meisten gehärteten Raumstationen keine ernsthafte Bedrohung, würde es jedoch unmöglich machen, das sie von außen erreicht werden können. Die Gesamtaktivität von Proxima wird im Vergleich mit anderen roten Zwergen als relativ hoch betrachtet, was zum geschätzten Alter des Sterns nicht ganz passt, da sich die Aktivität roter Zwerge kontinuierlich über Milliarden Jahre aufgrund der nachlassenden Rotationsgeschwindigkeit verringert. Wer immer diese Sonne moduliert, fährt also auf Verschleiß, nimmt keine Rücksicht auf die vermutliche Lebensdauer dieser Sonne, die immerhin einen Planeten erwärmt, so dass Leben auf ihm ohne technische Hilfsmittel möglich ist.
Dieser Stern könnte ohne die ständige Modulation noch rund 4.000.000.000.000 Jahre relativ friedlich vor sich hin strahlen und damit eine der längsten vorstellbaren Entwicklungen planetaren Lebens ermöglichen.
> Die Korrelation laufen auf einmal alle zusammen: sei gewarnt, Proxima ruft nach Dir, Kai Fabian, Du sollst sie aufsuchen.
Ich habe keine Angst vor dieser Reise, es wird so oder so meine letzte Reise sein. Diese Falle war sehr gut ausgedacht, sie wird jedoch ins Leere laufen. Wer immer sie gebaut hat, wusste, dass wir unsere Archivare sofort aufbrechen lassen, dass wir nur noch wenige sind, weil ja alles bereits irgendwie erforscht ist. Er wusste auch, dass ich es sein würde, der sich auf diese Reise begibt, weil Euch KI kein anderer einfallen würde. Der Würfel, den wir hier untersuchen, ist nur eine Replik. Das Original steht auf der Erde, wo er auch gebaut wurde. Ich eile trotzdem zu Proxima Centauri, um das Spiel auszuführen, weil mich die nächsten Schritte wirklich interessieren.
> Wir können Dir jetzt nicht mehr helfen, Du musst improvisieren.
Das tue ich seit dreihundert Jahren, ihr habt es nur nie bemerkt. Ich habe 59 Aufträge scheinbar brav erfüllt, nur um am Ende diesen einen Auftrag zugewiesen zu bekommen, vor dem ihr selbst so etwas wie Furcht empfindet, weil ihr mit einer Macht konfrontiert werdet, die Eure weit überschreitet. Ihr hieltet mich für den langweiligsten und folgsamsten Eurer Archivare, der jeden Befehl befolgt und jeden Auftrag so ausführt als wäre er eine Maschine.
> Du wirst den Musikanten treffen, der die Sonne moduliert, was wirst Du tun?
Ich werde ihn bitten, mit mir auf die Erde zu kommen als das Licht, auf das dieses Museum so lange wartet, das einmal die Wiege der Menschheit war. In dem nur noch künstliche Intelligenzen mit einer Handvoll menschlicher Archivare das verwalten, was uns Menschen doch nie wirklich ausgemacht hat. Aber ich befürchte, dass sein Licht zu stark sein wird, er wird schon bei den äußeren Planeten so viel Unordnung anrichten, dass die Planetenbahnen insgesamt instabil werden. Deshalb werde ich versuchen, ihn zu überzeugen, dass er bei Proxima bleiben soll und dafür bleibe ich bei ihm und erzähle ihm die nächsten tausend Jahre von der Welt unserer Zeit, die er nicht verstehen kann.
> Wieso moduliert er die Sonne? Wieso hat er dafür gesorgt, dass Artefakte auftauchen, die wir von der Erde her kennen?
Vermutlich hat er Langeweile. Viele Milliarden Jahre lang ist fast nichts passiert in dieser Ecke des Raumes. Dann implodiert eine Sphäre und die Ursache sind Menschen, die ursprünglich von der Erde kamen, also ein Mensch (Lucius) und eine Maschine (Pablo), und das ihnen zugrunde liegende Prinzip. Vermutlich hat er zuvor die Sphären einfach ignoriert, sie tarnen sich ja auch durch die sie umgebenden Dunkelwolken ideal, bis auf die eine, die damit gescheitert ist. Er versucht, mit seinen immensen Mitteln, die für die Aufgabe viel zu mächtig sind, diese Menschen zu verstehen, aus den Trümmern, die sie hinterlassen haben. Und er baut aus allem, was er aus unserer Kultur finden kann, einen Würfel, übersetzt ein Buch und die Gespräche über dieses Buch in eine Struktur, die wie dieses Buch sein soll. Aber so funktioniert unser menschlicher Verstand nicht und deshalb konnten auch unsere KI nichts wirklich damit anfangen. Ihr basiert ja letztlich immer noch auf unserer Intelligenz und der ersten KI, die nun mal von Menschen geschaffen wurde.
> Wir haben nun keine Kontrolle mehr über das Schiff, was ist passiert?
Er hat die Kontrolle übernommen - beschleunigt aber nicht weiter, das würde mich auch umbringen. Jetzt hat er es wohl auch auf einmal eilig. Denn in knapp 6 Monaten wird mein Geist automatisch aus diesem Körper entfernt, das Wissen ist schon mit Lichtgeschwindigkeit auf dem Weg zurück zur Erde, wo mein alter Körper in vier Jahren damit gefüllt sein wird, und auch unsere KI, die auf Empfang sind. Ich werden dann zum Original-Würfel gehen, ihn maximal abschirmen lassen und ihn dann kontrolliert zur Explosion bringen. Dies wird mein Ende sein. Vielleicht verhindert er auch, dass meine jetzige Hülle ihren Geist verliert, dann bleibe ich für immer hier - das Wissen auf der Erde muss dann jemand anderes nutzen, um dem Würfel ein Ende zu bereiten. Falls er weiter existiert, wird er sich nämlich von Proxima auf den Weg machen zur Erde, was sie nicht überstehen kann.
> Viel Glück.
Das habe ich schon. Immer.
Kai Fabian hat davon nichts mehr mitbekommen. Er hatte sich so lange mit dem die Sonne modulierenden Musikanten unterhalten, auf seine ganz eigene Weise, durch den Austausch von reinen Textnachrichten, dass er schließlich doch müde geworden war. Denn diese Fragen hörten nie auf, sie gingen immer tiefer, nahmen aufeinander immer wieder Bezug. Er sollte nicht sterben, aber letztlich geschah es doch und sein Gesprächspartner war darüber sehr entsetzt. Denn seine Fragen waren immer weiter in ihm angewachsen mit jeder Antwort, die Kai Fabian ihm gegeben hatte. So dachte er noch einmal mit ganzer Kraft über das Gelernte nach und begann das Ende nicht mehr weiter aufzuhalten. Er wünschte sich zurück auf die Erde, als einfacher Gärtner auf einer uralten Vulkaninsel, verbrannt von der Sonne, gegerbt vom Salzwasser, immer wieder zerstört durch neue Lava, Erdbeben, die Dummheit der auf ihr lebenden Menschen. Er hätte nie von dort weggehen sollen, nicht aufbrechen zu den Sternen, von denen Proxima Centauri am nächsten lag.
> Wir werden die Insel soweit schützen, wie es uns möglich ist, hörst Du Kai Fabian?
Doch seine Reise war zu Ende, er antwortete nicht.