Das traurige Lied der Piraten

Wir waren sehr arm schon in der Zeit, als ich noch ein Kind war. Die Versorgung und was man damals öffentliche Ordnung nannte, waren zusammen gebrochen und meine Eltern erzählten manchmal von den Piraten, die uns holen würden, wenn wir zu weit vom Haus, vom Dorf weggingen. Wir glaubten das nicht alles sofort, es hörte sich an wie Erzählungen aus Märchenhologrammen. Aber das änderte sich rasch, denn es gab am Ende unserer Hochebene wirklich niedergebrannte Dörfer, aus denen alles Wertvolle vorher geraubt worden war und was nicht wertvoll schien war zerstört. Es hieß, das wären die Piraten gewesen, aber manche meinten auch, es wären Soldaten gewesen, Deserteure.“ „Hast Du je welche selbst gesehen, mit Deinen eigenen Augen?“ „Ich erinnere mich nicht mehr so richtig an vieles, was damals geschehen ist, aber ich bin mir doch sicher, dass ich sie einmal mit eigenen Augen gesehen habe, und was sie taten. Sie trugen schmutzige Overalls wie die Truppen des auseinanderfallenden Königreichs und waren im Gegensatz zu den Hütern der Ordnung ganz ruhig, nicht so wie in den Geschichten. Sie rannten nicht lachend und mordend durch die Dörfer, sie genossen ihre Taten nicht so wie beschrieben. Sie wirkten eher kontrolliert und geschäftsmäßig, so wie man sich verhält, wenn man eine unangenehme Arbeit verrichtet, die man machen muss, weil sie notwendig ist, aber lieber wäre man woanders. Einmal sah ich drei von ihnen, neben getöteten Alten, Drogen rauchend. Sie waren gegeneinander hilfsbereit, gaben sich Feuer, schienen Scherze zu machen über den Jüngsten, der errötete und dann sagten sie etwas, was ihn lachen ließ. Er hatte einen Schmetterling gefangen und in einer kleinen Schachtel aufbewahrt. Er ließ ihn fliegen, davon flattern und sie schauten ihm lächelnd hinterher. Dann brannten sie das nächste Dorf nieder, wir konnten es von den Hügeln davor beobachten. Die Menschen, die zu fliehen versuchten, jagten sie mit ihren Schwebwannen und rammten sie einfach von hinten. Man hörte die Knochen knacken bis zu uns, ein Geräusch, das ich nie vergessen werde. Lebte einer noch und schleppte sich weiter, ließen sie ihn einfach gewähren, schauten ihm nicht einmal nach. Er hatte mit gebrochenem Rückgrat und blutend keine Chance, weit zu kommen. Die hungrigen Wildhunde warteten schon auf sie, die rochen Blut kilometerweit. Das Vieh und die Kinder nahmen sie mit, das Vieh betäubt, die Kinder vor Angst erstarrt. Schrie eines, warfen sie es einfach aus dem Transporter, kurz bevor sie ihr Schiff erreichten. Das Knacken der Knochen kleiner Kinder beim Aufprall habe ich immer noch im Ohr, ich kann es wohl nie vergessen. Das Schiff schwebte eine Woche lang über dem brennenden Dorf und ab und zu warfen sie Müll, Knochen von Tieren und wohl auch menschliche Überreste auf das Dorf, aber keine lebenden Kinder mehr. Zum Schluss zündeten sie noch eine Aerosolbombe, die die Trümmer des Dorfes, Körperfragmente und was weiß ich noch weit verstreute. Deshalb war auch die Unterseite des Schiffs schwarz und fleckig, vom Ruß und den Fetten in der Luft, die beim nächsten Durchflug durch die Atmosphäre verbrannten und eine dicke Schicht hinterließen, die eins wurde mit dem Schiff. Es stank entsetzlich und ich konnte wochenlang trotz Hungers kein Fleisch essen, dabei lag so viel rum, dass die Hunde es nicht alles vertilgen konnten. Sie fraßen wochenlang. Ich vermute, als sie es dann endlich satt waren, zogen sie weiter.“